zur EZB Zinsentscheidung
„Guten Morgen Frau Lagarde, schön, dass Sie aufgewacht sind und auch beginnen, sich für die höchste Inflation seit 50 Jahren zu interessieren.
Aber, ach, mein Fehler: Sie sind natürlich der ganzen Euro-Zone verpflichtet, dort gab es natürlich etliche Inflationsphasen und überhaupt die Deutschen und ihr Inflationsfimmel…“ Heute hat die EZB endlich reagiert und den Leitzins um immerhin einen halben Prozentpunkt erhöht. Die drei Schlüsselzinssätze liegen nun bei 0,5%, 0,75% und 0%, was in Anbetracht von 8,6% Inflation im Euro-Raum nicht gerade überzeugend wirkt.
Allerdings ist damit endgültig dokumentiert, dass die EZB nicht länger ihren eigenen Durchhalteparolen von der vorübergehenden Inflation glaubt. Wie auch, wenn die Erzeugerpreise mit Raten jenseits von 30% steigen und somit massive Zweitrundeneffekte vorgezeichnet sind.
Fast noch wichtiger ist jedoch, dass die EZB ein neues Vehikel zur EU-vertragswidrigen Staatsfinanzierung geschaffen hat: das Transmission Protection Instrument, kurz TPI. Hier lohnt ein Blick in die kafka’esque Argumentation der EZB gemäß ihrer Pressemitteilung: „Nach Einschätzung des EZB-Rats ist die Einrichtung des TPI erforderlich, um die effektive Transmission der Geldpolitik zu unterstützen. Während der EZB-Rat die Normalisierung seiner Geldpolitik fortsetzt, wird das TPI sicherstellen, dass die Transmission des geldpolitischen Kurses in allen Ländern des Euroraums reibungslos erfolgt. Die Einheitlichkeit der Geldpolitik des EZB-Rats ist eine Voraussetzung dafür, dass die EZB ihr Preisstabilitätsmandat erfüllen kann.“
Soso, das TPI wird also zur Voraussetzung für die Erfüllung des Preisstabilitätsmandats erklärt. Klingt logisch, ist aber Unsinn und schlicht ein Feigenblatt. Außerdem ist das TPI genau das Gegenteil einer „Normalisierung der Geldpolitik“. Eine echte Normalisierung wäre nämlich ein Ende der Staatsanleihekäufe, die gemäß §123 AEUV eigentlich verboten sind. Uneigentlich gilt das übliche Verhalten der Eliten und Regierungen in Bezug auf die heilige Kuh EU: legal, illegal, sch…schnurzegal! Details zum TPI folgen noch, aber wir lesen: „Der Umfang von Ankäufen im Rahmen des TPI hängt von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission ab. Die Ankäufe sind nicht von vornherein beschränkt.“
Na, das ist doch mal ein hübscher Blankoscheck. Somit kann der „Defragmentierung“ der Euro-Zone entgegengewirkt werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass von der bisherigen Praxis eines „ausgewogenen Anleihekaufs“ abgewichen wird und nun gezielt Anleihen von Krisenländern gekauft werden, ggf. sogar deutsche Anleihen verkauft werden. Ziel ist, die Zinsdifferenz zwischen den Euro-Ländern nicht zu groß werden zu lassen.
Warum? Weil ein marktbasierter Zins ein elementarer Krisenindikator ist und sowas geht natürlich gar nicht. Im Ergebnis ist die EZB weiterhin Draghis „whatever it takes“ verpflichtet und das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) wird sich noch mehr mit Staatsanleihen vollsaugen. Welches gigantische Volumen diese Staatsanleihenkäufe mittlerweile erreicht haben, zeigt ein Blick in die Statistik. Auf 8,8 Billionen Euro sind die Notenbankbilanzen mittlerweile angeschwollen. Das ist das Zwölfeinhalbfache des Wertes zum Beginn des Euro am 1.1.1999 als Buchgeld.
Die anhängige Grafik setzt diesen Wert ins Verhältnis zur Entwicklung der Geldmenge M3 und dem realen BIP im Euro-Raum. Durch die Explosion der Bilanzsummen wirkt die Aufblähung der Geldmenge gar nicht so dramatisch, ist sie aber. Jüngst bezifferte Hans-Werner Sinn in einem Beitrag für die Wirtschaftswoche den Geldüberhang in der Euro-Zone auf etwa 5 Billionen Euro. DAS ist die Ursache für die Inflation! Die Energiepreiskrise seit letztem Sommer und deren Verschärfung durch den Ukraine-Krieg sind lediglich die Anlässe und vor allem willkommene Ausreden für die Politik.